Naturwissenschaft steht schon lange nicht mehr im Abseits des politischen und gesellschaftlichen Alltags. Zumindest sollte sie das nicht. Zudem hat sie über Jahrhunderte eine ganz eigene und immer ausgeprägtere Kultur entwickelt, die eigenen Dinge anzugehen, zu diskutieren und die Kommunikation hierzu zu pflegen. Und etwas zu tun, was der politische Kultur wie auch unserem Alltag freilich abgeht: Sich ständig in Frage zu stellen und sich zu korrigieren. Streitigkeiten werden nicht mehr über Thesen an Kirchentüren ausgetragen oder mit einem Scheiterhaufen beendet, wenn die Botschaft den Mächtigen oder den Granden in der eigenen Zunft nicht passt. Die eigene Sicht der Dinge bei neuen wissenschaftlich erhärteten Fakten zu revidieren ist keine Schande, sondern alltägliche Aufgabe eines Wissenschaftlers der seinen Beruf ernst nimmt. Der wissenschaftliche Diskurs ist kein Zeichen einer unausgereiften oder unentschlossenen Wissenschaft, sondern der Dynamo einer dauerhaften Infragestellung der eigenen Lehrgebäude. Umso befremdlicher, wenn Medien oder Entscheidungsträger dies bei Anhörungen von Experten als Argument benutzen, dass man Leute, die etwa bei der Analyse einer weltweiten Pandemie ihre fachliche Meinung ändern, nicht ernst nehmen darf.
Am anderen Ende der alltäglichen Bühne stehen freilich Menschen, von denen sich einige als Skeptiker sehen oder ihre Welt nicht entzaubert wissen wollen vom analytischen Blick moderner Naturwissenschaften. Darunter etliche, die nicht vom Fach sind, sich ausserhalb ihrer eigenen Expertise bewegen und ohne die inhaltliche Strenge und formale langjährige Ausbildung einer Fachmannes/Fachfrau lange genug damit befasst haben, dass sie für sich in Anspruch nehmen, die Dinge nun besser zu verstehen als die Fachleute, die sich in großer Zahl und über Jahrzehnte ihr ganzes berufliches Leben damit befasst haben. Laien, die im Diskurs, trotz der sehr offensichtlichen gravierenden Wissenslücken und trotz fehlender fachlicher Ausbildung, offensiv die Ansicht vertreten, mit ihren nicht selten kruden oder falschen Theorien nun auch in Expertengremien Gehör zu verdienen. Ohne sich den strengen aber essentiellen Regeln unterziehen zu wollen, die Wissenschaftler an ihre eigene Arbeit als Maßstab anlegen. Bishin zu kruden Verschwörungsgruppen mit extremistischer und anarchistischer Gesinnung, die auch vor Gewalt und Morddrohungen nicht zurückschrecken.
Schliesslich aber mächtige Interessengruppen aus Wirtschaft und Politik oder auch finanziert aus erzkonservativen religiösen Kreisen, die seit Jahrzehnten und mit erheblichen finanziellen Mitteln ausgestattet sind, um Wahrheiten zu verhindern, damit sie sich nicht als Stand des Wissens ausbreiten. Lobbygruppen, die sich mit viel Energie aufmachen, um die wissenschaftliche Diskussion zu hintertreiben und nicht zögern Wissenschaft und Wissenschaftler zu verhöhnen, zu diffamieren oder ihre Arbeit im Lärm ihres eigenen Getöses unbemerkt untergehen zu lassen. Und pseudowissenschaftliche Institute, ja Forscher selbst zu bezahlen, die Wahrheiten und wiss. Techn. Fortschritt hintertreiben. Spin doctors die lustvoll Diskussionen in andere Richtungen zu drehen versuchen. Deren Lobbyarbeit verheerenden Schaden anrichtet.
Also keine ehrliche Tätigkeit ist, sondern die moderne Version einer unheiligen Bilderstürmerei und Indoktrination.