Das US Oberhaus unterband Ende des 19. Jahrhunderts den Unsinn einiger Spinner, die Zahl pi irgendwo bei 3 oder 3,2 gesetzlich festlegen zu wollen mit dem Beschluss, dass mathematische Beweise nicht Gegenstand von Gesetzgebungsverfahren sein sollten. Was nicht bedeutete, dass Mathematik oder mathematische Modelle keinen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen sollen.
Es bleibt indes merkwürdig, wir orientieren uns bei der Pandemie nicht an Fakten, sondern beugen stattdessen die Wirklichkeit an unseren Illusionen darüber, was Realität ist. Mathematische Modellierungen einer Pandemie werden von etlichen Bürgern und von populistischen Politikern und Funktionären eher als Provokation empfunden. Dem gleichen Ideengebäude, das unsere Versicherungsprämien berechnet, Verkehrsströme lenkt und bei der Wettervorhersage mit hoher Genauigkeit Vorhersagen trifft, wird von Politik und Industrie kein Respekt erwiesen. Als Ersatz steht nur ein tragisches aber altes Missverständnis zur Verfügung. Es ist die Grundlage magischen Denkens. Der anti-aufklärerische und erneuerte Versuch, sich unsere Welt durch bloße Rituale untertan zu machen. Die Vorstellung wir könnten uns die Natur mit den üblichen Regungen unserer Bürokratie, qua Gesetzeserlass oder mit Verordnungen des Bundes oder der Länder unterwerfen. Um dann erstaunt festzustellen, dass weder Viren noch Klimawandel unsere staatlichen Schlagbäume respektieren. Der Primat einer grenzenlosen Wirtschaft in einer Gesellschaft versagt als der Aberglaube, der er ist, kläglich, sobald wir den eigenen Erfolg zwanghaft an die Illusion unbeschränkten Wachstums koppeln.Der Virus weiss davon nichts. Unsere Hohenpriester des Status Quo wollen davon nichts wissen.
Wir entledigen uns derweil scheinbar unserer Probleme nach Art des Riesen Prokrustes, der die Gäste in seiner Herberge entweder verstümmelte oder der Streckfolter unterwarf, bis sie ins Bett passten. Was nicht passend ist, wird medial passend gemacht. "Political framing" wird das beschönigend genannt.
Ein Fernsehsender veröffentlichte die Resultate einer Telefonumfrage, demnach rund 2/3 der Befragten, die jetzigen Maßnahmen von Bund und Land zur Änderung der Lockdownauflagen für falsch halten.
Was der Sender geflissentlich unterliess, war aufzuschlüsseln, warum die Befragten es für falsch hielten. Weil sie die Maßnahmen für zu weitgehend oder gerade umgekehrt für nicht weitgehend genug halten. Ein rein menschliches Dilemma. Denn dem Virus ist all das egal. Er gehorcht seinen eigenen naturgegebenen Gesetzen. Über die können wir uns mit Illusionen hinwegsetzen. Aber wir können sie nicht aufheben.
Prokrustes hat in vielen deutschen Haushalten ein Bett zu vermieten.